Faire Tarife statt Pflästerlipolitik
Gastbeitrag von Hans Balmer*
Während strahlender Sonnenschein die Landschaft beherrscht, ziehen über der Spitalwelt brandschwarze Wolken auf. Nimmt man die deutlich verschlechterten finanziellen Ergebnisse – aktuell präsentiert in der Finanzstudie von PwC – , so droht jederzeit ein Wolkenbruch der Superlative hernieder zu prasseln. Wie konnte das (so schnell) so übel werden?
Ganz so schnell war es eben nicht. Völlig ungenügende Tarife, insbesondere aus dem zwar aus Patientensicht zu begrüssenden Trend „ambulant vor stationär“ heraus entstanden, waren eben schon schlimm genug und auf weiter Flur nicht kostendeckend, ausser der Privatpatientenanteil wäre recht hoch. Dazu gesellten sich der laufend bedrohlicher werdende Fachkräftemangel und jetzt auch noch Inflation und höhere Zinsen für allerorten in Bau befindliche Neu- und Umbauten. Ein Horror-Szenario!
Und einmal mehr ist die Politik heillos überfordert. Sie reagiert genauso stümperhaft wie bei der Credit Suisse-Pleite. Der gesundheitspolitische Verstand unserer eidgenössischen Parlamentarier findet eben seine schnellen Grenzen bei allgemeinem Lamentieren über steigende Krankenkassenprämien und Pflästerlipolitik-Vorschlägen wie Eintrittspauschalen im Spital-Notfall. Gegen soviel Hilflosigkeit sind die höchstens zehn gescheiten National- und StänderätInnen, die eine Ahnung vom Gesundheitswesen haben, auf verlorenem Posten. Ein schlagendes Negativ-Beispiel sei hier exemplarisch genannt: der Vorschlag zu einer systematisch einheitlichen Abgeltung stationärer wie ambulanter Leistungen, vor 14 Jahren von Nationalrätin Ruth Humbel klug eingebracht. Wer nun aber als Plenum innert 14 Jahren noch keine Lösung gefunden hat, bei dem wäre eigentlich das Sitzungsgeld zurück zu fordern.
Auch in den Kantonen sehen wir nichts Besseres. Im Aargau hat der völlig überforderte Grosse Rat – ein klares juristisches Gutachten von Prof. Bernhard Rütsche der Universität Luzern in den Wind schlagend – eine Finanzspritze für ein aufgrund betriebswirtschaftlichen Nicht-Könnens in katastrophale Schieflage geratenes Kantonsspital gesprochen. Für den Aargau – früher fast 400 Jahre unter Berner Besatzung leidend – mag man das aus systemischen Überlegungen noch knurrend wegstecken, wenn nun aber wo möglich auch der Kanton Basel-Stadt, in ähnlicher Zwickmühle und bei einem ebenfalls mehr als eindeutigen Rechtsgutachten von Dr. Tomas Poledna, nachstösst, bliebe nur noch Kopfschütteln. Sollte solch stümperhaftes Reagieren Schule machen, dann geraten die SteuerzahlerInnen ganz klar auf die Verliererseite. Notleidende Spitäler könnten begehrlich werden und der Qualitätswettbewerb würde kaum mehr befeuert.
Spitäler – und zwar alle, öffentliche wie private – brauchen keine Almosen, sondern faire, kostendeckende Tarife. Allerdings nur dann, wenn sie nachhaltig unter Beweis stellen, dass sie wirtschaftlich, effizient und qualitativ erstklassig arbeiten, eben keine betriebswirtschaftlichen Ignoranten ans Steuerrad lassen. Etatistisch motivierte Preisdrückerei schadet, anständige Vereinbarungen zwischen den Vertragspartnern sind angesagt. So würde beispielsweise auch der hervorragenden Medizin im genannten Aar(g)auer Spital weit mehr gedient als mit finanzieller Symptombekämpfung. Solange aber Strukturen, Prozesse und Entscheidungswege ungenügend sind, stinkt der Fisch weiterhin am Kopf.
Was bei solchem Tun leider bleibt, ist eine tiefrote Umverteilung schon vor der Spitalpforte – ein schlichtweg falsches Rezept. Das heisst nun aber keineswegs, dass tiefe Einkommen keine Entlastung erwarten dürften, aber nicht über lausige Tarife, rechtlich fragwürdige Finanzspritzen und schon eh seit Langem gewährte übersetzte Abgeltungen gemeinwirtschaftlicher Leistungen, sondern durch einfache und faire Steuergesetzgebungen, die – das haben uns unsere Volkswirtschafts-Professoren in Basel schon vor 40 Jahren gelehrt – das einfache Mittel einer negativen Einkommenssteuer beinhalten würden. Wer finanziell zu kämpfen hat, dem wird etwas ausbezahlt. Das wäre ohnehin noch viel sympathischer als das aktuelle Dickicht von Sozialhilfen, inklusive Prämienverbilligung.
Faire Tarife sind dringend nötig. Berechnet auf sauber nachgewiesenen Kosten, gescheiten Leistungsportfolios und zukunftsfähigen Strukturen, bringen sie auch die nötige Transparenz, Vergleichbarkeit und Steuerungsbasis. Die Weichen sind jetzt zu stellen – resp. nach den eidgenössischen Wahlen, im Rahmen derer wir halt das allgemeine Populismus-Geplauder und den völlig verfehlten Ärzteeinkommens-Neid nochmals über uns ergehen lassen müssen. Die Zeit eilt. Überstürzte (weitere) Rettungsübungen inkompetenter Kantonsparlamente gilt es zu vermeiden. Die Krankenversicherer sind mehr als aufgerufen, sich mit gutem Willen und der Bereitschaft für faire Entgelte an den Verhandlungstisch zu setzen. Sie würden dem Gesundheitssystem, den Patienten und den Steuerzahlerinnen einen grossen Dienst erweisen… und dumme Politiker davor bewahren, den nächsten Blödsinn in Szene zu setzen.
*Dr. Hans Balmer ist Verleger der Zeitschrift „Clinicum“. Er ist ebenso aktiv als persönlicher Berater von CEOs und Firmen, vorab in den Bereichen Regulatorien, IT, Telemedizin und Prozessoptimierung.